Selbstmitgefühl lernen: Übungen, um sich selbst zu unterstützen

Selbstmitgefühl als mentale Stärke (mit Übungen) I Claudia Winkel

Selbstmitgefühl, Selbstfürsorge und Selbstbewusstsein: Freundlich mit sich selbst sein, statt sich Vorwürfe zu machen. Fehler akzeptieren, „Nein sagen“, den inneren Kritiker besänftigen. Das hilft wirksam gegen Stress.

Selbstmitgefühl ist wesentlich für eine gute Beziehung zu mir selbst, besonders in stressigen Situationen im Job. Denn auf unsere Bewältigungsstrategien mit Ärger, Wut und Enttäuschungen kommt es an. Berufstätige mit einer Haltung voller Freundlichkeit haben einen stabilen Anker: Sie leben Gelassenheit im Job. Denn sie bleiben in stressigen Konflikten und Krisen emotional und mental stabil.

Kennst du dagegen diese Gedanken?

„Ich bin zu blöd für meinen Job, immer rege ich mich auf!“

„Ich bin nicht gut genug.“

„Meine Ansprüche im Job und in der Familie sind nicht zu hoch. Da geht doch wohl mehr!“

„Was denken bloß meine Kollegen/ mein Team von mir?“

Selbstmitgefühl (englisch: Mindful Self Compassion) ist das Mitgefühl, das man sich selbst entgegenbringt. Anschaulicher beschrieben: Das Gefühl, sich selbst wie einem guten Freund zu begegnen: verständnisvoll und unterstützend. Denn Scheitern, trauern und zeitweilig Selbstvertrauen und Mut zu verlieren gehören zum Leben dazu. Achtsames Selbstmitgefühl bedeutet die eigenen Gefühle eher mit emotionalem Abstand, wertefreier und von außen wahrnehmen.

Selbstmitgefühl, Selbstkritik und Gewohnheiten

Zum Selbstmitgefühl gehört auch, sich mit den eigenen Fehlern auseinanderzusetzen. Herausfordernd für viele Berufstätige in einer Unternehmens- und Lernkultur, die das Leistungsstreben in Teilen übersteigert. Erst allmählich hält das Konzept des Growth Mindset Einzug in Unternehmen, Universitäten, Ausbildungsbetriebe und Schulen. „Fehler sind H E L F E R“ und auch wichtige Schritte im Lern- und Entwicklungsprozess zu selbstbewussten Lern-Persönlichkeiten. 

Eine aktuelle Forsa-Umfrage unterstreicht, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland durch die Arbeit sehr gestresst fühlen. Der selbstgemachte Leistungsdruck und die eigenen überhöhte Ansprüche begünstigen Perfektionismus, der bis zum Burnout führen kann.

Selbstkritik und persönliche Entwicklung

Ständige Selbstkritik macht beruflich unzufrieden und erzeugt viel Stress. Die Herausforderung ist die Kunst der konstruktiven Selbstkritik. Viele Menschen neigen dazu, sich im Übermaß kleinzureden und zu verurteilen. Beispielsweise mache ich mir im Job Vorwürfe, verärgert, unzufrieden oder wütend zu sein. Wenn ich von mir verlange, ein Gefühl nicht zu haben, ist das unmöglich. Gefühle finden auf körperliche Ebene statt. Dort können sie auch mit Embodiment Übungen beeinflusst werden. Dagegen haben Gedanken keine Effekte.

Gleichzeitig führt der Gedanke, nicht gut genug zu sein und alles falsch zu machen, zu immensem Druck. Hilfreich im Umgang mit Stress sind passende Strategien zur Stressbewältigung.

Mehr Kraft und mentale Power gewinnen wir über Selbstmitgefühl.

Psychologie des Selbstmitgefühls

Der Begriff Selbstmitgefühl wird 2003 von der Psychologin Kristin Neff eingeführt. Es basiert auf dem buddhistischen Konzept des Selbstmitgefühls.

Selbstmitgefühl ist einer der seelischen Schlüssel für Gesundheit und emotionale Ausgeglichenheit. Bereits 2016 findet sich im Ärzteblatt ein Artikel, der die präventive Schulung von achtsamen Selbstmitgefühl und die Kultivierung von Selbstfreundlichkeit betont. (Basierend auf dem Mindful Self-Compassion/ MSC Ansatz, den ich weiter unten vertiefe.)

Umfangreiche Studien verweisen auf die Abnahme von Angst, Depression und Stress sowie mehr Zufriedenheit.  Die Übungen sind relativ leicht umsetzbar und sehr wirkungsvoll. Wie alle Lernprozesse brauchen sie Wiederholungen, damit neue Routinen entstehen.

Mehr Selbst-Mitgefühl im Job und Alltag hat viele Vorteile:

  • Erhöhte Lebenszufriedenheit: Dein Stresslevel geht nach unten, Grübeleien, Ängste und Sorgen werden deutlich weniger. Du nimmst Abschied vom Perfektionismus und dem Druck, besser sein zu müssen. Das Impostor-Syndrom (Hochstapler-Syndrom) wird für dich zum Fremdwort. Du gehst entspannter und gelassener durchs Leben.
  • Eigenes Potenzial kennenlernen & leben: Selbstzweifel wie … nicht gut genug, nicht erfolgreich oder nicht wertvoll, … und inneren Kritiker „entmachten“! Das hat weitreichende Wirkung im Beruf und in der Ausbildung. So kannst du Prüfungsangst überwinden. Dir gelingt es, extreme Redeangst und Präsentationsangst zu überwinden. Souveränes und selbstbewusstes Auftreten gelingt beim nächsten Karriereschritt, dem Jobwechsel und der Übernahme neuer Aufgaben.
  • Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Zuversicht wachsen: Du bewertest Misserfolge neu und bist in der Lage deine Ziele mit Ausdauer weiter zu verfolgen. Deine Motivation steigt.
  • Innere Stärke: Selbstmitgefühl unterstützt Glücksgefühle, Lebensfreude und Optimismus. Du fühlst dich gut! Dein Mitgefühl für andere wächst, deine Kompromissbereitschaft steigt. So stärkst du aktiv dein Selbstwertgefühl.

So kannst du Selbstmitgefühl lernen

Kristin Neff hat zahlreiche Übungen entwickelt, die das Selbstmitgefühl stärken können. Sie betont:

  • … damit aufzuhören, sich ständig zu bewerten und selbst zu verurteilen.
  • … Selbstakzeptanz ist der Schlüssel für ein gutes Leben. Akzeptiere deine Stärken, Schwächen und Grenzen.
  • … zu versuchen, sich mit den wohlwollenden Augen einer mitfühlenden Freundin (Freundes) freundlich zu betrachten.
  • … sich zu trösten, sich Mut zuzusprechen und Mitgefühl zu zeigen. Der Körper reagiert immer.

Nicht zu verwechseln mit Selbstmitleid

Häufig wird Selbst-Mitgefühl mit Selbstmitleid verwechselt. Und diese Begriffe unterscheiden sich inhaltlich deutlich.

Was bedeutet Selbstmitgefühl?

Mitgefühl ist ein zentraler Baustein im Buddhismus. Es geht um die Anteilnahme am Leid oder an der Not der anderen Menschen. Beim Selbstmitgefühl geht es um diese Anteilnahme sich selbst gegenüber. So begegnet man sich in schweren Situationen mit Fürsorge, Freundlichkeit und Respekt.

Das wissenschaftliche Konzept zum Selbst-Mitgefühl von Kristin Neff, einer Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der Universität von Texas knüpft hier an. Eine Sammlung an relevanten Studien und Publikationen findet sich auf der Webseite der MSC Pionierin. Seit 2003 wird der Faktor Selbstmitgefühl in unzähligen Studien weltweit erforscht und weiterentwickelt. Es handelt sich um eine innere Einstellung, die auf drei Facetten beruht.

  • Selbstfreundlichkeit
  • Das Gefühl der Verbundenheit mit allen Menschen
  • Eine achtsame Grundhaltung

Was heißt das konkret?

  • Selbstfreundlichkeit bedeutet fürsorglich und verständnisvoll mit sich selbst umzugehen, sich selbst zu umsorgen und trösten anstatt sich zu verurteilen und zu kritisieren.
  • Das Gefühl der Verbundenheit mit allen Menschen betont, dass wir mit unseren Erfahrungen nicht allein sind. Das Leben ist unperfekt und wir sind es auch. Fehler zu machen und auch negatives Feedback zu bekommen, ist Teil unserer täglichen Erlebnisse.
  • Achtsamkeit bedeutet, auch schmerzhaft und unangenehme Gefühle und Gedanken anzunehmen. Wichtig ist hier diese Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern sie wahrzunehmen.

Worin liegt der Unterschied zum Selbstmitleid

Selbstmitleid dagegen bedeutet, dass du an dir selber leidest. Vielleicht etwas zugespitzt beschrieben: Du ziehst dich jammernd in eine Ecke zurück, beklagst lautstark oder auch ganz leise weinerlich dein Elend. Nur du bist so arm dran, besonders dich hat es ganz schlecht erwischt. Und schaffst es dich in Rekordzeit in deine Abwärtsspirale zu bringen.

Positivspiralen sorgen für Mut und Zuversicht, dagegen führen Negativspiralen mental nach unten. Bald fühlst du dich noch viel schlechter.

Selbstverständlich entspricht die Szene im Film mit den vielen Tränen und dem riesigen Becher Eiscreme im einsamen Bett nicht dem wahren Leben.

Selbstmitgefühl – Selbstwert Coaching

Wenn du häufiger negative Gedanken hast bzw. dein innerer Kritiker ständig deine Erfolge kleinredet, dann hilft dir ein guter Coach gerne weiter. Es ist wichtig sich mit seinen Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Fehlern ganz anzunehmen.

Die Funktion des Selbstwertgefühls für die Seele ist mit der Funktion der Immunabwehr für den Körper vergleichbar. Ist dein Selbstmitgefühl bzw. dein Selbstwert angeschlagen, dann nimmst du dir jedes kritische Wort, jeden vermeintlich skeptischen Blick zu Herzen und beginnst zu grübeln.

Dann könnte dir das Selbstwert Coaching und Mentaltraining helfen. Übrigens gehören Humor und Zuversicht zum Coaching dazu, besonders bei sehr ernsthaften Themen! Nimm gerne Kontakt auf.

Zum leichteren Verständnis ein Beispiel

Du hast dir vorgenommen, morgens von montags bis freitags kleine 10-minütige Yoga-Übungen in deinen Tagesablauf einzubauen. Montags und dienstags klappt das gut. Am Mittwoch bist du so verschlafen und lässt die Übung ausfallen. Am Donnerstag hast du den Termin vergessen.

Du hast 3 mögliche Muster zu reagieren:

  1. Wie bisher in klassischer Abwertung. Boah, du bist die einzige, die das nicht auf die Reihe bekommt! So kleine Anforderungen und hier scheiterst du schon! Das wirst du nie hinbekommen …
  2. Mit Selbstmitleid: Nur dir gelingt das nicht. Allen anderen gelingt das. Vielleicht nehme ich mir jetzt einen Schokokeks … oder auch 2 oder 3 Kekse … Uups, die Packung habe ich aufgegessen.
  3. Mit Selbstmitgefühl: Na gut. Das ist noch nicht so gut gelaufen. Die Herausforderung ist ziemlich groß. Vor 5 Jahren habe ich zuletzt einen neuen Sport ausprobiert. Immerhin ist ein Anfang gemacht. Rückschläge gehören in der ersten Zeit dazu. Das schaffe ich schon. Schließlich habe ich auch … (Radfahren, Schwimmen, …) gelernt.

Wertest du dich weiterhin mit destruktiven Verhaltensmustern ab, dann hast du einen Garantieschein für weitere schlechte Laune und sinkende Motivation.

Mit dem Fokus auf Selbstmitleid trägst du dazu bei, dein Problem am Laufen zu halten – Auch hier verlässt dich schnell deine Motivation.

Mit mehr Selbstmitgefühl und Verständnis kannst du nächste Woche mit neuer Motivation weitermachen.

Negative Glaubenssätze auflösen

Fehlendes Selbstmitgefühl und negative Glaubenssätze hängen häufig zusammen. Wie du dich fühlst – gut oder schlecht, motiviert oder demotiviert, ist auch das Ergebnis davon, wie du mit dir sprichst.

Dein innerer Kritiker konstruiert täglich deine Realität. Allerdings fehlt das Update. Positive wie negative Glaubenssätze und Denkmuster sind tief verwurzelte Muster deiner Kindheit. Vieles ist als Erwachsener nützlich, manches dagegen auch kontraproduktiv.

Dein innerer Kritiker verkündet immer wieder:

„Ich schaffe das nicht.“

„Ich kann das nicht.“ oder

„Ich bin einfach nicht gut genug.“

Negative Glaubenssätze kannst du mit Unterstützung durch einen erfahrenen Coach auflösen und transformieren.

Positive und negative Glaubenssätze
Ein negatives Gedankenkarussell kann noch im hohen Erwachsenenalter Wirkung zeigen. – Selbstzweifel und mangelnde Resilienz zeigen sich im Alltag vieler erwachsener Menschen.

Hilfreich ist hier die Überlegung, wie dein bester Freund/ in in dieser Situation reagieren würde.

Übung "Ein guter Freund sein"

Deine Aufgabe: Einen mitfühlender Brief schreiben.

Für diesen mitfühlenden Brief kannst du an eine momentane Herausforderung, eine Verhaltensweise denken, die du ändern möchtest. Etwas, das dir des öfteren Stress, Kummer oder Sorgen bereitet. (Hier, zum Einstieg liegt die Messlatte bei leicht bis mittelschwer belastend).

Dann wechselt du die Perspektive. Du siehst dich mit den Augen deines besten Freundes/ Freundin: Sehr zugewandt, mit viel Mitgefühl, Herz und ganz viel Freundlichkeit.  Dieser beste Freund kennt dich sehr gut, mit allen Stärken und Schwächen. Er schätzt dich genau wie du bist. Im Gesamtpaket! Er hört die so geduldig und aufmerksam zu wie Momo im Buchklassiker von Michael Ende.

Was würde dieser Mensch wohl sagen, angesichts dieser besonderen Herausforderung? Mit welchen Worten würde er dich unterstützen, für dich da sein?

Nimm dir etwas Zeit und schreibe alles auf was dir dazu einfällt. Sammele wertschätzende, hilfreiche und  tröstende Worte! Alles was von Herzen kommt.

Dann legst du den mitfühlenden Brief zur Seite. Ein bis zwei Wochen später liest du ihn erneut … und spüre die Wirkung von Mitgefühl, die Verbundenheit, Trost und Akzeptanz.

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

Ciao Claudia

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